Warum Paypal beim Crowdfunding Unsinn ist [...]
Vom Zahlungsdienstleister zum Schiedsrichter Unangenehm aufgefallen ist Paypal in den letzten Wochen nämlich, weil sich das Unternehmen aus Sicht vieler Beobachter von der Rolle eines Zahlungsdienstleisters hin zu einem unaufgeforderten Schiedsrichter aufgespielt hat. Verschiedene Medien berichteten darüber, dass Paypal Gelder für Crowdfunding-Projekte sperrt.
Beim Crowdfunding oder Crowdinvesting finanzieren viele Einzelpersonen Projekte, Unternehmen oder Start-ups mit vergleichsweise kleinen Beträgen. Dies geschieht über internetgestützte Plattformen. Diese Fundingplattformen organisieren die Kapitalbeschaffung, die ebenfalls die Abwicklung beinhaltet, also den Transport des Kapitals vom Investitionswilligen zum Unternehmen.
Für den Transport des Geldes werden in der Regel die üblichen Zahlungsverfahren verwendet, in Deutschland Überweisungen und Lastschriften verwendet. Beim Funding von Kleinstbeträgen kann oft auch über Paypal gezahlt werden.
Der Kapitaltransport vom Investor zum Kapitalnehmer mag trivial oder nur als technisches Problem erscheinen, in der Praxis ist er das aber nicht. So macht es etwa aus Sicht der Finanzaufsicht einen Riesenunterschied, ob der Transfer des anzulegenden Kapitals über die Plattform selbst, einen neutralen Treuhänder oder direkt an das Beteiligungsunternehmen erfolgt.
Die deutsche Finanzaufsicht BaFin stellte im vergangenen Jahr klar, dass eine Crowdfunding-Plattform, die selbst Gelder annimmt und an die finanzierenden Unternehmen weiterleitet, einer Erlaubnispflicht nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz unterliegt und damit bestimmte Pflichten zu beachten hat. Viele Plattformen wollen diese Pflichten umgehen und schalten daher einen Treuhänder ein. Für die Anleger hat dies den weiteren Vorteil, dass sie vor einer Insolvenz der Funding-Plattform geschützt sind.
Nach einem Bericht von Heise.de hat Paypal für das Funding einer Spielentwicklung nur bis zu 50 Prozent der Gelder weiterleiten wollen. Der Restbetrag werde erst dann freigegeben, wenn das Spiel veröffentlicht werde. Außerdem sollten die Entwickler die Produktionskosten durch beglaubigte Quittungen belegen. In einem anderen Fall verlangte Paypal einen detaillierten Budgetplan für die Nutzung der Gelder. Paypal steckte für dieses Verhalten jede Menge Kritik ein.
Das Unternehmen erklärte sein Verhalten inzwischen in einem Blogeintrag. Paypal ließ den Risikomanager Tomer Barel schreiben, dass Crowdfunding auch zum Missbrauch verleiten könne und die Kunden davor geschützt werden sollten. Barel wies außerdem darauf hin, dass einige Wettbewerber Crowdfunding-Zahlungen gar nicht erst weiterleiteten. Um wen es sich dabei handelt, ließ er freilich offen. Dafür räumte Paypal ein, dass man jede Crowdfunding-Kampagne einer Risikoanalyse unterziet – für ein Unternehmen, das sich als reinen Zahlungsdienstleister versteht ein unüblicher Schritt.
Paypal trägt erhebliches Kreditrisiko Woraus Paypal die Legitimation für die inhaltliche Kontrolle zieht, die es sich hier anmaßt, ist eine berechtigte Frage. Zumal Barel in seinem Beitrag ein wichtiges Argument verschweigt: Paypal trägt gerade beim Crowdfunding ein relativ hohes Risiko für sogenannte Chargebacks, also Rückgaben von Kreditkartenbelastungen, weil eine Leistung nicht ordentlich erbracht oder die Karte gestohlen wurde. Dieses Risiko besteht beim Crowdfunding in der Tat, denn längst nicht alle Projekte erfüllen die hochmundig versprochenen Erwartungen. Im Falle eines Chargebacks durch den ursprünglichen Geldgeber bzw. seine Kreditkartengesellschaft müsste sich Paypal an das finanzierende Unternehmen wenden. Dieses dürfte dann aber wohl kaum zahlen können.
Der Fall zeigt, dass bei Paypal ein erhebliches Kreditrisiko hängen bleibt, das etwa vergleichbar ist mit dem Risiko aus der Rückgabe von Lastschriften. Auch hier kalkulieren traditionelle Banken das Rückgaberisiko und gestatten deswegen nicht die unbegrenzte Einreichung von Lastschriften. So lange Lastschriften zurückgegeben werden können, tragen die Banken des Zahlungsempfängers ein erhöhtes Kreditrisiko. Werden also über diesen Weg Kapitalbeteiligungen oder gar Start-ups finanziert, dann ist dieses Risiko aus Sicht des Zahlungsdienstleister fast prohibitiv hoch.
Vor diesem Hintergrund ist Paypals Verhalten verständlich. Paypal hat kein Crowdfunding-Problem. Vielmehr ist die Zahlung von Crowdfundings via Paypal das falsche Instrument.
Der Fall zeigt übrigens auch gut die Grenzen der Dankeschön-Ökonomie auf. Auch die digitale Gesellschaft lebt nicht allein vom Vertrauen der Community. Wenn Risiken einseitig verteilt werden, dann werden auch die vermeintlich so weltoffenen Digital Natives von den Realitäten der 1.0-Welt eingeholt.
Paypal ist der führende Spieler beim Online- und mobilen Bezahlen. Aber Bezahlen ist heute nicht mehr bloß eine einfache Umbuchung, sondern ein hochkomplexer Prozess mit vielen Beteiligten und Risiken. Die Ebay-Tochter kennt diese ganz genau und muss sie richtig steuern, weil die Margen pro Transaktion sehr gering sind. Andererseits möchte man die Kunden mit der verborgenen Komplexität eines Bezahlvorgangs nicht verunsichern. Das könnte das Geschäft ebenfalls beschränken.
Natürlich gibt es auch für das Crowdfunding-Problem eine Lösung. Ich bin sicher, dass Paypal bereits daran arbeitet.
---von
http://www.wsj.de/article/SB10001424052702303382004579127390505759728.html