Könnten Blockchains für bestimmte Use Cases eine vergleichsweise billige, und trotzdem halbwegs sichere Technologie darstellen?
Könnten ja, mit großem Konjunktiv.
Mir ist nach zehn Jahren "Forschung" kein Use Case bekannt.
Beispiel: Ich will als kleines Unternehmen einen vollständig zentralisierten Utility Token erstellen, mit dem man meine Dienstleistungen bezahlen kann.
Ich könnte jetzt natürlich eine traditionell-hierarchische Datenbank-Infrastruktur auf eigenen oder gemieteten Servern dafür aufbauen. Allerdings könnte diese für mich relativ teuer ausfallen, wenn sie sicher gegen Hackerangriffe sein soll.
Stattdessen nehme ich Blockchain X und baue meinen Token dort ein.
Stichwort: Compliance / Regulierung.
Du befindest dich damit juristisch im Bereich der Finanzdienstleistungen oder nahe dran.
Technisch mag da die Blockchain ein paar Tausend oder Zehntausend Euro sparen, aber das bringt dir natürlich nix, wenn du eine Rechtsabteilung für 100.000e Euro im Jahr beschäftigen musst, und einen Vorstand aus mindestens drei "Senior Executives in Banking" vorweisen musst, die sich das entsprechend vergüten lassen.
Es gibt im Bereich der "Gutscheine" ganz generell die Unterscheidung zwischen "Closed Loop" und "Open Loop", wobei erstere direkte Gutscheine sind, die nur bei einem einzelnen (oder wenigen, in direktem Zusammenhang stehenden) Dienstleister eingetauscht werden können (bspw. Amazon-Gutscheine), und letztere eine breitere Akzeptanz haben, wie bspw. Kreditkarten.
Das Problem ist jetzt, dass es einen "Graubereich" gibt, in dem sich "Miles and More" oder "Payback" tummeln, und irgendwie auch "Sanifair".
Bei denen ist immer nicht so ganz klar, unter was sie denn eingestuft werden sollen.
Bei Closed Loop sind die Compliance-Anforderungen minimal, da könnte dann eventuell die technische Ersparnis interessant werden.
Bei Open Loop ist es uninteressant, weil man sich als "Finanzdienstleister" enorme Kosten ins Haus holt.
Im Graubereich muss man halt vorsichtig sein, und hat zumindest mal sicherlich eine gute Rechtsabteilung.
Die Frage ist jetzt, ob ein "Token" auf einer Blockchain irgendwie in den Graubereich fallen könnte, dann wäre die technische Ersparnis sicherlich irrelevant.
Und das ist wahrscheinlich auch dann der Fall, wenn diese Tokens "üblicherweise" direkt gehandelt werden.
Wenn also ein Richter zu dem Ergebnis kommen würde, dass du hier Tokens verkaufst, die von den meisten Usern auch mit dem Hintergedanken erworben werden, diese zu traden, befindest du dich mindestens im Graubereich.
Ich würde sagen, dass das für alle mir bekannten Use Cases zutrifft.
Wenn du natürlich wirklich einen ganz eigenen Token emittierst, der nicht handelbar ist, bei dem du also bspw. eine Weitergabe erschwerst oder ähnliches, bist du wieder "safe". Aber dann hast du zusätzlichen Aufwand, um das zu unterbinden.
Ich sehe da einfach, ganz ehrlich, keinen guten, direkten Weg hin.
Und die minimale Ersparnis bei den technischen Kosten steht IMHO in keinem Verhältnis zu den potentiellen Kosten der Compliance.
Ausschließen im Sinne eines "ist nicht möglich" möchte ich es aber nicht.
Ich
könnte (der angesprochene große Konjunktiv) mir vorstellen, dass es vereinzelt "Payback" oder dergleichen auf Blockchain geben kann, und dass das dann durchaus ein zumindest nicht unbedingt total widersinniger Gebrauch der Blockchain ist.
Für den von dir genannten Fall eines kleinen Unternehmens, dass sich Kosten für technische Infrastruktur bei Gutscheinen sparen möchte, sehe ich da ehrlich, unter
keinen Umständen einen Vorteil gegenüber einer simplen, zentralen Datenbank. Auch der Sicherheitsaspekt dürfte da keine echte Rolle spielen.
Schlusswort: die Idee, es wäre für ein Unternehmen irgendwie sinnvoll, quasi "eigenes Geld" für die eigenen Dienstleistungen zu verwenden, ist IMHO empirisch über mehrere Tausend Jahre widerlegt.
Universell nutzbares Geld hat sich auch deshalb durchgesetzt, weil der Verbraucher dieses immer als nützlicher ansieht als bloße Gutscheine.
Entsprechend gibt es auch heute kein großes Unternehmen, das tatsächlich eigene Dienstleistungen oder Waren mit eigenem Geld bezahlen lässt.*
Gutscheine, so sie angeboten werden, sind ein Marketinginstrument, und ggf. auch ein Instrument, um Umsätze vorwegzunehmen, mehr nicht.
* Amazon Coins, WoW-Gold, etc. haben eigene, sinnvolle Anwendungen für so etwas wie "Micropayments", insofern sehe ich das nicht als Widerspruch an