Ein guter fundierter Beitrag Tempus,
ich würde zusammenfassen das der Preis von ETH wesentlich mehr vom Potential getrieben wird.
Und ganz offensichtlich sortieren ernsthafte Developer PoS aus... es gilt schon jetzt unter sehr vielen als gescheitert, nicht nur wegen der ökonomischen Konsequenzen sondern auch vieler anderer. Und selbst wenn es nur die ökonomischen wären, haben die ja dann letztlich großen Einfluss auf die Netzwerkstärke und das Problem das sich so ein System sehr schnell zentralisiert.
Verstehe ich nicht, BTC ist auch begrenzt verfügbar, wenn es ums minen geht dann kann man das im POS mit dem forgen/harvesten vergleichen und das wesentlich Energie freundlicher.
Ein großer Unterschied ist übrigens genau das "Energie-freundlicher". Während ein 51%-Angriff bei PoW immer teurer wird, also die Kosten mit der Aufrechterhaltung ansteigen, ist das bei PoS anders. Das sind sozusagen "Einmalkosten". Irgendwo habe ich auch gelesen, dass PoS anfälliger ist und es weit weniger brauchen würde um eine Attacke auszuführen. Insgesamt wird es zu einem ökonomischen Problem, denn ein PoS-System macht sich sozusagen über den Markt angreifbar. Die offensichtlichste Variante wäre Kauf. Ein Angreifer würde einfach so viel kaufen dass er angreifen kann. Man könnte dann zynischerweise sagen: Okay, das wäre der gigantischste Pump aller Zeiten und für einen Investor eigentlich ne Profit-Maschine, was für die vielen die verkaufen würden ja auch stimmen würde. Aber es würde ja in der Praxis anders laufen: Personelle Zusammenschlüsse, ETH leihen (anstatt zu kaufen), psychologische Manipulationen um Investoren zum dumpen zu bringen (self fulfilling prophecy: Die Behauptung, Ethereum sei gefährdet würde Druck auf den Preis bringen was die echte Gefährdung dann erst auslöst etc.).
Letztlich ist dann die Sicherheit der Blockchain extrem eng an den Preis gekoppelt während es gleichzeitig ein "Reiche-werden-reicher-System" ist, da ja die Höhe des Stakes entscheidend ist. Man kann argumentieren dass das bei Bitcoin nicht ganz anders ist, denn mittlerweile sind ja horrende Investitionen nötig um mit Mining noch Geld machen zu können und das ist auch richtig. Wir sehen in Bitcoin eine massive Zentralisierung. Über 50% ist mittlerweile schon in China und ich persönlich bin davon überzeugt, dass wenn Bitcoin bedeutender wäre und etwa die chinesische Regierung ein Interesse daran hätte Bitcoin mit einer 51%-Attacke anzugreifen, sie das könnten.
Bei Ethereum gibts da aber zwei Probleme:
1. Es geht um viel mehr, nämlich Scripte/Smart Contracts. Der Anreiz Ethereum anzugreifen um etwa einen Konzern zu treffen der es nutzt, ist damit weit größer als Bitcoin anzugreifen, der ja sozusagen ein simpler Transaktions-Mechanismus ist.
2. Wie bereits gesagt: Bitcoin anzugreifen verursacht immer höhere Kosten um den Angriff aufrechtzuerhalten, während es bei einem PoS-System Einmalkosten sind.
3. Die Möglichkeit des Leihens beinhaltet zumindest theoretisch sogar einen ökonomischen Anreiz. Wäre ein Angreifer im Stande sich sehr viel zusammenzuleihen kann er Ethereum shorten. Entweder attackieren wenn möglich was den Kurs in Grund und Boden schicken würde, oder einfach nur über den psychologischen Effekt: Es wird durchgestochen dass das Risiko besteht was ja schon massiven Einfluss auf den Kurs hätte. Und ebenfalls, wie oben gesagt: Das erhöht das Risiko, denn der potentielle Angreifer, der noch gar nicht angegriffen hat, könnte jener sein der kauft um dann erst wirklich anzugreifen. Gewinn wäre gigantisch, wenn er auf einer Masse an geliehenen Ethereum die er nach der gesamten Operation zum Schnäppchenpreis zurückkaufen und zurückgeben kann.
Während diese Szenarien gegenwärtig natürlich unrealistisch erscheinen muss man sich klar machen dass in einem Reiche-werden-reicher-System die Zeit gegen das System läuft und zwar schneller als bei PoW. Die Risiken würden außerdem mit dem Erfolg steigen weil mit dem Erfolg die Anreize steigen während es ökonomisch im Zentralisierungs-Modus ist.
Und wenn man das jetzt mit dem Prinzip Bitcoin plus Factom (nur als Beispiel weil ich darüber am meisten weiß) vergleicht:
Factom kann nicht wirklich über die Bitcoin-Blockchain angegriffen werden, denn erstens hat Factom ja eine eigene Blockchain. Factom könnte einen Angriff auf Bitcoin einfach aussitzen, danach wieder Anker setzen und das wars dann auch schon - während ein Angriff auf Bitcoin sowieso sauteuer wäre, v.a. wenn er länger als ein paar Minuten ausgeführt werden sollte. Zweitens: Factom ist sowieso unabhängig von der Bitcoin-Blockchain weil sie sich in jeder verankern können und das auch wollen - übrigens auch in Ethereum. Sie werden vermutlich jede einigermaßen starke Blockchain nutzen, zumindest ist das möglich.
Wenn man Factom aber direkt angreifen wollte wäre das weit schwerer, gerade weil das System kleiner ist. Das ist ein System aus federated Servern die durch einen Wahl-Mechanismus wechseln werden/können. Und es sind genau jene, die das System nutzen werden und Entrys bezahlen werden um es zu nutzen, die diese Wahl treffen werden. Plus: Da das gesamte System kleiner ist ist es leichter zu kontrollieren. Kompromittierungsversuche würden leichter erkannt und Bad Actors rausgeschmissen.
Und wenn man sich das jetzt nicht nur als zwei Systeme vorstellt, nämlich Bitcoin + Factom, sondern mehrere Basis-Blockchains plus mehrere Systeme wie Factom die logischerweise auch in Konkurrenz zueinander stehen, dann ist das ein viel dezentraleres System als es Ethereum sein kann.
Das ist im Übrigen auch interessant: Sollte Ethereum technisch perfekt funktionieren, müsste es auf längere Sicht zu einer einer Konzern-Blockchain werden, nämlich zugehörig zu jenem Konzern der Ethereum am meisten nutzt. Warum? Weil sie, um nicht über Ethereum angreifbar zu werden, den Großteil kaufen müssten. Ethereum würde damit aber zu einer privaten Blockchain und zu einer verdammt teuren noch dazu. Was machen Konzerne und Banken also? Sie entwickeln ihre eigenen privaten Blockchains - was ja schon geschieht.
Und was ist Ethereum? Ich glaube, das andere daraus lernen werden, Ethereum zu Testzwecken benutzen werden, aber bisher glaube ich nicht das Ethereum wirklich für bedeutende Smart-Contracts genutzt werden wird.
Da kämen wir dann übrigens wieder zu technischen Problemen die ich nicht mal ansatzweise durchdringe, die aber offensichtlich vorliegen. Interessanterweise gibts in dem Thread "Ethereum Paradox" mehrere Streithälse die sich persönlich nicht ausstehen können, aber als ich den einen davon fragte ob der andere mal unabhängig persönlicher Differenzen richtig liegt zugestimmt hat. Ich verstehe ansatzweise worum es geht, aber nicht genug um es hier auf den Punkt zu bringen.
Wenn man sieht was slock bereits für Anwendungsmöglichkeiten mit der ETH Blockchain zeigt, dann kann ich mir das einfach nicht mit dem BTC vorstellen, sorry echt nicht / jedenfalls nicht auf der Ebene der Transaktionsgeschwindigkeit.
Wie gesagt.. es wird nicht darum gehen dass Bitcoin selbst solche Anwendungen bereitstellt. Die Bitcoin-Blockchain wird nur als Anker für weitere spezialisiertere Blockchains benutzt die sich sozusagen oben drauf setzen. Das müssen im Übrigen nicht mal zwingend Blockchains sein, in manchen Fällen sind es nur zentrale Server die bestimmte Funktionen ausführen.
Tierion ist z.B. ein System das ziemlich ähnlich zu Factom ist, soweit ich weiß ohne Blockchain, eher ein Cloud-Service. Da sie sich aber in ein dezentrales Netzwerk (Bitcoin-Blockchain) verankern, können sie damit beweisen dass sie ihre potentielle Macht (weil sie zentrale Akteure sind) nicht ausnutzen. Gleichzeitig sind sie aber potentiell natürlich angreifbarer als ein verteiltes System wie es Factom ist (bzw. sein wird. Momentan ist es noch ne private Blockchain die auf Factom-Servern läuft).